"Früher grüsste der Duce ungestört – doch kürzlich hat Südtirol eine Lösung für den Umgang mit fragwürdigen Denkmälern gefunden.
Nach jahrzehntelangem Streit darüber, ob Denkmäler von Benito Mussolini abgerissen oder stehen gelassen werden sollten, hat man sich in der norditalienischen Grenzregion auf eine Alternative geeinigt, die Vorbild für andere sein könnte."
NZZ vom 15. Juli 2020, S. 5 (Ruth Fulterer)
Politische Persönlichkeit des Jahres 2017: Öffentliche Auszeichnung von Hannes Obermair durch "Politika" für die Umgestaltung des Siegesdenkmals
Politika, die Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft/Società di Scienza Politica dell'Alto Adige/Sozietà de Scienza Pulitica de Sudtirol zeichnet jährlich eine Persönlichkeit aus, die in einem gewissen Zusammenhang mit Südtirol steht und die sich durch besondere Leistungen im Bereich der Politik und des bildungspolitischem Engagements hervorgetan hat.
Hannes Obermair wurde vom Vorstand der Politika als politische Persönlichkeit des Jahres 2017 ausgezeichnet. Hannes Obermair, Historiker, Archivar und Kurator verschiedener Ausstellungen, ist federführend im Bereich der Aufarbeitung, Kontextualisierung und Wahrnehmung faschistischer Denkmäler in Südtirol, insbesondere in Bozen. Als damaliger Direktor des Stadtarchivs von Bozen wurde er Mitglied der Historikerkommission, die 2011 mit der Gestaltung eines musealen Parcours im Siegesdenkmal beauftragt wurde. Außerdem war die Kommission verantwortlich für die historische Einordnung des Flachreliefs von Hans Piffrader, welches Mussolini hoch zu Ross zeigt und die Verherrlichung des Faschismus darstellt.
Seiner und der Arbeit anderer, die im Bereich der historischen Einordnung faschistischer Denkmäler mitgewirkt haben, ist es zu verdanken, dass die Denkmäler – oftmals Stein des Anstoßes zwischengesellschaftlicher Beziehungen – nun Mahnmäler und Orte der Begegnung sind bzw. als solche wahrgenommen werden können für die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft. Die Kontextualisierung historischer Denkmäler, welche Ursache und Gegenstand von Streitigkeiten darstellten, ist ein wesentlicher und innovativer Beitrag für ein friedliches Zusammenleben und die Überwindung von Spannungen zwischen Südtirols Sprachgruppen. Südtirol zeigt damit beispielhaft auf, wie ethnische Spannungen überwunden und Minderheiten geschützt werden können.
Als Teil einer überparteiischen Arbeitsgruppe für die Kontextualisierung historischer Denkmäler war Obermair in der Lage, die verschiedenen Erinnerungskulturen, die an den Denkmälern haften, einander gegenüberzustellen. Dadurch dass das Siegesdenkmal und das Piffrader-Relief in einen historischen Zusammenhang gestellt worden sind, wurden sie zu einem Grundstein für die Aussöhnung der Südtiroler mit ihrer Vergangenheit und sind zudem ein wichtiger Schritt nach vorne zur Unterstützung eines friedvollen Zusammenlebens der vielseitigen Gesellschaft Südtirols. Die Politika-Auszeichnung „Politische Persönlichkeit des Jahres 2017“ würdigt Obermairs Arbeit und ist gleichzeitig auch Ansporn dafür, weitere faschistische sowie anderweitige umstrittene Denkmäler in Mahnmäler aufzuarbeiten und historisch einzuordnen.
BATTISTI_RELOADED
Fragmente einer Betrachtung über Cesare Battisti 1916–2016
Am 12. Juli 2016 jährt sich zum 100. Mal der Todestag Cesare Battistis, einer der zentralen politischen und intellektuellen Akteure des Tirol-Trentiner Raumes im vergangenen Jahrhundert. Battistis Gedächtnis wurde im Zeitalter der Diktaturen vielfach missbraucht und für politische Zwecke instrumentalisiert.
Die Stadt Bozen möchte daher anhand authentischer Materialien in ihrem Besitz zu einer Neubewertung Battistis beitragen. So nehmen vier der Veranstaltungen ihren Ausgang von der Sammlung Pedrotti, die die Stadtbibliothek Bozen verwahrt. In entsprechenden Rezitationen werden Texte aus diesem Bestand von und über Battisti von bekannten SchauspielerInnen des Teatro Stabile unter der Koordinierung von Andrea Bernard präsentiert. Mit einem Reading des Stadtarchivs Bozen rufen sodann Patrizia Pfeifer und Hannes Obermair in Erinnerung, dass gerade deutschsprachige Schriftsteller und Historiker wie Karl Kraus, Franz Tumler und Claus Gatterer Battisti rehabilitiert und mit ihren Arbeiten ein nach wie vor gültiges Bild entworfen haben.
Die Veranstaltungen finden jeweils am Donnerstagabend ab 18.30 Uhr im Park des Siegesdenkmals statt.
Wertvolle Exponate des Pedrotti-Bestandes werden zudem während der Veranstaltungen in den Räumlichkeiten der Dokumentations-Ausstellung in einer “interaktiven” Vitrine gezeigt.
Warum die Sammlung Pedrotti? Giovanni Pedrotti (1867–1938) war ein bürgerlich-liberaler Intellektueller des Trentino, als aktives Mitglied und Vorsitzender des Trienter Alpinclubs ganz den nationalen Idealen des Irredentismus verschrieben. Im Trentino ist er zudem als bedeutsamer Fotograf hervorgetreten. 1914 unterzeichnete er gemeinsam mit Guido Larcher und Cesare Battisti eine Trentiner Petition, die den italienischen König zum Kriegseintritt gegen Österreich-Ungarn aufrief. In der Folge zog er nach Rom und unterstützte Flüchtlinge der „unerlösten“ Gebiete. In zeittypisch politischer Absicht waren ihm heimische Kultur und Geschichte wichtig. Entsprechend umfangreich war seine Bibliothek, deren Bestände vor allem Werke zur Geschichte Tirols und des Trentino umfassten. 1951 hat die Stadt Bozen den Großteil des Bibliotheksbestandes erworben, während der Restbestand von der Alpingesellschaft in Trient verwahrt wird. Die Buchausstellung wird ihr Augenmerk auf den Themenkomplex Cesare Battisti richten.
BATTISTI_RELOADED findet seine Fortsetzung im Oktober 2016 mit mehreren Vorträgen, die die Geschichte des Pedrotti-Bestandes, die Battisti-Ikonographie und seine unübersehbare Präsenz in Südtirol beleuchten werden. In Zusammenarbeit mit der Technischen Oberschule Cesare Battisti in Bozen wird es auch um die zahlreichen Benennungen nach Battisti in Bozen gehen, wobei ein Wiki-Projekt und der Einsatz sozialer Medien das aktive Mitwirken der SchülerInnen ermöglichen wird.
Europäischer Museumspreis 2016
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Die Dokumentations-Ausstellung im Siegesdenkmal wurde von der Jury des europäischen Museumspreises (EMYA) mit einer besonderen Anerkennung gelobt.
Vergangene Woche hat das "Europäische Museums Forum" (EMF) in San Sebastian den Europäischen Museumspreis verliehen. Nominiert waren 49 Museen und Ausstellungen aus 24 europäischen Ländern. Nominiert war auch die Dokumentations-Ausstellung im Siegesdenkmal.
Seit 1977 vergibt das "Europäische Museums Forum" unter der Schirmherrschaft von Königin Fabiola de Mora y Aragón von Belgien die Auszeichnung "Europäisches Museum des Jahres". Als Trophäe wird die goldene Skulptur "The Egg" des Künstlers Henry Moore verliehen.
Sieger des diesjährigen Museumspreises ist das "POLIN-Museum" in Warschau, das die 1000-jährige Geschichte der Juden in Polen aufbereitet. Es gibt acht chronologische und thematische Abteilungen, in denen unter anderem der Holocaust während des Zweiten Weltkrieges thematisiert wird.Fünf Kandidaten, darunter auch "BZ '18-'45, eine Stadt, ein Denkmal, zwei Diktaturen - die Dokumentations-Ausstellung im Siegesdenkmal" wurden mit einer "Special Commendation", einem besonderem Lob hervorgehoben. Ausschlaggebend war die thematische Auseinandersetzung und die projektbezogenen Besonderheiten dieser Dauerausstellung.
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Von besonderer Bedeutung auch die Worte der Jury, die der Ausstellung "eine mutige Auseinandersetzung zu einem Thema, welches für viele Jahre im Mittelpunkt politischer Streitfragen und regionaler Identitätssuche gestanden hat.
Vor dem Hintergrund der Denkmalgeschichte nimmt die Ausstellung auch den Zeitabschnitt 1918-1945 in regionaler und überregionaler Hinsicht in den Blick und thematisiert insbesondere den italienischen Faschismus und die Zeit der nationalsozialistischen Besetzung.Die Dokumentations-Ausstellung im Siegesdenkmal wurde von einer wissenschaftlichen Kommission erarbeitet, die im März 2011 vom Italienischen Staat, der Südtiroler Landesregierung und der Stadt Bozen eingesetzt wurde. Ihr gehörten Andrea Di Michele, Hannes Obermair, Christine Roilo, Ugo Soragni (Vorsitzender) und Silvia Spada an. Die Kommission hat im Mai desselben Jahres die Ausstellungsrichtlinien und den Themenkatalog erstellt, auf deren konzeptueller Basis sie die inhaltliche Gestaltung, die Texterstellung und die Bildauswahl vorangetrieben hat. Darauf basierte das Ausstellungskonzept der Gruppe Gut und von Jeffrey T. Schnapp. Die europäische Auszeichnung und das Lob der Jury ist eine weitere Anerkennung der gelungenen Historisierung des Denkmals sowie des Ausstellungskonzeptes der Dokumentationsausstellung, welches vom Ministerium, der Autonomen Provinz Südtirol und der Gemeinde Bozen gemeinsam ausgearbeitet worden ist.
Eine Dokumentations-Ausstellung im Siegesdenkmal
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Die im Juli 2014 eröffnete Dokumentations-Ausstellung "BZ '18–'45. Ein Denkmal, eine Stadt, zwei Diktaturen" beschäftigt sich mit der Geschichte des Bozner Siegesdenkmals. Dieses wurde vom faschistischen Regime in den Jahren 1926–1928 nach einem Entwurf von Marcello Piacentini errichtet. Am Bau waren auch zahlreiche italienische Künstler beteiligt.
Vor dem Hintergrund der Denkmalgeschichte nimmt die Ausstellung auch den Zeitabschnitt 1918–1945 in regionaler und überregionaler Hinsicht in den Blick und thematisiert insbesondere den italienischen Faschismus und die Zeit der nationalsozialistischen Besetzung. -
Besonderes Augenmerk wird überdies auf die tiefgreifenden städtebaulichen Umgestaltungen gelegt, die Bozen seit den späten 1920er-Jahren erfuhr.
Die Einrichtung einer dauerhaften Dokumentations- Ausstellung fußt auf einem Abkommen, das der italienische Staat, das Land Südtirol und die Stadt Bozen im Jahr 2012 geschlossen haben. Damit wird auch das seit Jahrzehnten abgesperrte Denkmal wieder allgemein zugänglich gemacht.